St. Kolumban ragt mit seiner innovativen und ausdrucksstarken Architektur aus den Kirchenbauten des 20. Jahrhunderts heraus. St. Kolumban wurde in den Jahren 1962 bis 1966 als Gemeindezentrum für den stark wachsenden Bregenzer Stadtteil Weidach mit den neuen Siedlungen im Rosshimmel, im Feldmoos und an der Wälderstraße errichtet. Die moderne Architektur der gesamten Anlage macht das Gotteshaus zu einem sprechenden Zeichen des Glaubens und hebt sich städtebaulich von den umgebenden Bauten des Energieversorgers illwerke vkw und den Wohngebäuden ab.
Im Jänner 1961 wurden für die Kirche und das Gemeindezentrum St. Kolumban ein Wettbewerb unter Vorarlberger Architekten ausgeschrieben und im Juni wählte eine internationale Jury unter dem Ehrenvorsitz von Bischof Bruno Wechner, dem Generalvikar für Vorarlberg, aus den eingereichten sechs Entwürfen aus. Der Dornbirner Architekt Hans Burtscher bekam den Auftrag zur Umsetzung seines Wettbewerbsentwurfs und die Gesamtverantwortung für die technische und künstlerische Leitung des Projekts. Der Anspruch von Hans Burtscher war es, künstlerisch und mit neuen Technologien und Materialien mutige architektonische Lösungen umzusetzen. Seine Referenzprojekte waren keine Kirchen, sondern repräsentative Gebäude für die aufstrebende Wirtschaft des Landes: die ehemalige Illwerke-Hauptverwaltung in der Josef-Huter-Straße, das Krafthaus des Lünerseewerks und das Messehochhaus im Zentrum von Dornbirn. Der Blick von Süden bei der Landstraße fällt zuerst auf den schlanken, 32 Meter hohen Glockenturm aus Sichtbeton, der als „Finger“ mahnend gegen den Himmel gerichtet ist und oben ein kleines, markantes Betonkreuz trägt. An der Straßenkreuzung wirkt die Kirche wie ein Schiff mit dem Glockenturm als Steuerruder. Von der Weidachstraße aus wird mit einem gewissen Abstand das Sinnbild eines Schiffes noch deutlicher. Der Blick auf das Dach führt zur Assoziation mit einem Zelt.
Die St. Kolumban-Kirche ist ein gutes Beispiel für Symbolarchitektur. Schiff und Zelt sind Quartiere des Menschen auf der Wanderschaft und Zuflucht in ungewisser Zeit, sie durchdringen sich in diesem Kirchenraum zu einer symbolträchtigen Einheit. Die Kirche ist ein ausdrucksstarker Betonbau. Das zeltartig durchhängende, zwischen der Südwestecke über dem Portal und der Nordostecke über dem Altarbereich aufgespannte Dach wird von mächtigen Holzleimbindern getragen. Die großen Wandflächen sind weiß verputzt, die farbigen Glasfenster der West- und Südwand sind markant durch unregelmäßig verbundene Streben in Sichtbeton gegliedert. Am hellen Tag vermitteln die Fensterwände aus Beton und Glas im Inneren eine mystische Stimmung – mit Blick hinauf zum Licht des Himmels im Altarraum, wo das Kreuz hängt.
Bei der Architektur von St. Kolumban wird die Reform der katholischen Gottesdienstfeier sichtbar. Der Altar wurde schon 1961 vom Opfertisch zum Abendmahlstisch in der Mitte der feiernden Gläubigen – vom Zweiten Vatikanischen Konzil wurde dies 1965 verbindlich betont. Der „Volksaltar“ und das von verschiedenen Mitwirkenden nutzbare Lesepult („Ambo“) wurden Standard. Die Leiter des Gottesdienstes erhielten einen Platz, der ihre dienende Funktion zeigt und keinen thronartigen Sitz mehr, die schrankenartige Kommunionbank wurde aufgegeben und der Tabernakel abseits des Tisches für das Abendmahl platziert. Das Taufbecken bekam einen besonderen Platz in der Kirche.
Drei architektonische Aspekte kamen vereinzelt auch in anderen Bauten vor: die Kirche als Zelt, ein hochstrebender und belichteter Altarraum sowie diffuses Licht und Farben aus Fenstern, die das Gefühl eines sakralen Raumes und meditative Stimmungen fördern.
Architekt Hans Burtscher war vom weltbekannten Architekten Le Corbusier und seiner Kapelle Notre-Dame-du-Haut in Ronchamp inspiriert. Wie Corbusier setzte er sich als Künstler innovativ mit den Anforderungen an eine zeitgemäße Kirche auseinander. Der kreative Hans Burtscher hatte auch andere Inspirationen. Zur einzigartigen Architektur von St. Kolumban gehören der skulpturale Glockenturm in deutlichem Abstand vor dem Kirchenbau, die Holzleimbinder-Konstruktion des Zeltdaches, die diagonal in drei Blöcken ausgerichteten Kirchenbänke und die Betonglasfenster mit starken Farben ohne Bilder und Muster, eingebettet in breite, unregelmäßig verbundene Sichtbetonstreben.
- Dr. Karl Dörler, Kunsthistoriker und Stadtführer (www.bodenseeguides.at)